Außergerichtlicher Vergleich: Insolvenz stoppen

Außergerichtlicher VergleichWenn Schulden überhandnehmen und die monatlichen Raten die Einnahmen übersteigen, rückt die Privatinsolvenz (Verbraucherinsolvenz) bedrohlich nahe. Viele Betroffene fürchten diesen Schritt wegen der Dauer des Verfahrens und der damit verbundenen Einschränkungen. Doch die Insolvenz ist nicht der einzige Ausweg, oft ist sie nur der letzte. Es gibt effektive Wege, um schuldenfrei ohne Insolvenz zu werden. Die wichtigste und formal notwendige Alternative ist der außergerichtliche Vergleich, auch außergerichtlicher Einigungsversuch genannt. Dieser Schritt ist nicht nur eine Option, sondern laut Insolvenzordnung (InsO) eine zwingende Voraussetzung für ein eventuelles späteres Verbraucherinsolvenzverfahren.

Was ist ein außergerichtlicher Einigungsversuch bei Schulden?

Ein außergerichtlicher Einigungsversuch ist ein formalisierter Prozess, bei dem ein Schuldner – meist unterstützt durch eine anerkannte Schuldnerberatungsstelle oder einen Anwalt – all seinen Gläubigern einen konkreten Plan zur Schuldenregulierung vorlegt. Das Ziel ist, sich mit allen Gläubigern auf eine reduzierte Rückzahlung der Schulden zu einigen.

Dieser Plan wird als „Schuldenbereinigungsplan“ bezeichnet. Er muss folgende Punkte transparent darlegen:

Bestandsaufnahme: Eine lückenlose Auflistung aller Gläubiger und der genauen Schuldenhöhe.
Finanzielle Situation: Die Offenlegung der Einnahmen, Ausgaben und des eventuell vorhandenen pfändbaren Vermögens des Schuldners.
Das Vergleichsangebot: Ein realistischer Vorschlag, welchen Anteil (Quote) ihrer Forderungen die Gläubiger erhalten. Dies kann als Einmalzahlung (oft durch einen Dritten, z.B. Familie, finanziert) oder als Ratenzahlung über einen festgelegten Zeitraum erfolgen.

Wichtig ist hierbei der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger (par conditio creditorum). Kein Gläubiger darf im Plan besser gestellt werden als ein anderer. Der Plan muss für die Gläubiger nachvollziehbar darlegen, warum der Schuldner die volle Summe nicht zahlen kann und warum das Angebot die bestmögliche Option darstellt.

Wie überzeugt man Gläubiger von einem Vergleich?

Gläubiger sind in der Regel Wirtschaftsunternehmen (Banken, Inkassobüros, Versandhäuser), die rational abwägen. Sie stimmen einem Vergleich, bei dem sie auf einen Teil ihres Geldes verzichten, nur dann zu, wenn diese Option wirtschaftlich sinnvoller erscheint als die Alternative.

Die Alternative ist die Privatinsolvenz des Schuldners. Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erhalten Gläubiger oft nur eine sehr geringe Insolvenzquote, die teilweise nur bei 0 % bis 5 % der ursprünglichen Forderung liegt. Nach drei Jahren (aktuelle Rechtslage) erfolgt die Restschuldbefreiung, und die Gläubiger gehen für den Rest ihrer Forderung leer aus.

Ein gut aufbereiteter außergerichtlicher Vergleichsplan zeigt dem Gläubiger auf: „Wenn Sie dieses Angebot (z.B. 20 % der Forderung als Einmalzahlung) annehmen, erhalten Sie sofort mehr Geld, als Sie im wahrscheinlichen Fall einer Insolvenz jemals bekommen würden.“ Der Vergleich bietet dem Gläubiger eine sichere, wenn auch reduzierte Zahlung anstelle eines Totalausfalls oder einer minimalen Quote nach Jahren des Wartens. Die Professionalität und Seriosität des Angebots sind daher entscheidend für den Erfolg.

Welche Rolle spielt die Schuldnerberatung dabei?

Die Rolle einer anerkannten Schuldnerberatungsstelle (z.B. von Wohlfahrtsverbänden wie Caritas, Diakonie, AWO) oder eines spezialisierten Rechtsanwalts (Fachanwalt für Insolvenzrecht) ist bei diesem Vorhaben zentral. Theoretisch könnten Schuldner den Versuch selbst unternehmen, praktisch scheitert dies jedoch fast immer an der mangelnden Akzeptanz der Gläubiger.

Eine professionelle Schuldnerberatung übernimmt mehrere Schlüsselfunktionen:

1. Bestandsaufnahme: Sie hilft, alle Schulden lückenlos zu erfassen und die finanzielle Situation realistisch einzuschätzen.
2. Erstellung des Plans: Sie erstellt den Schuldenbereinigungsplan nach den rechtlichen Vorgaben und stellt sicher, dass er realistisch und fair ist.
3. Verhandlungsführung: Sie tritt als neutrale Instanz gegenüber den Gläubigern auf. Ein Schreiben einer anerkannten Beratungsstelle oder Kanzlei wird von Gläubigern ernster genommen als der Brief eines Schuldners allein.
4. Ausstellung der Bescheinigung: Dies ist der wichtigste Punkt: Scheitert der außergerichtliche Einigungsversuch (weil z.B. ein wichtiger Gläubiger nicht zustimmt), stellt nur eine „geeignete Stelle“ (gemäß § 305 InsO) die offizielle Bescheinigung über das Scheitern aus. Diese Bescheinigung ist die zwingende Voraussetzung, um überhaupt den Antrag auf Privatinsolvenz beim Gericht einreichen zu dürfen. Ohne diesen nachgewiesenen Versuch ist der Insolvenzantrag unzulässig.

Ist man danach wirklich schuldenfrei ohne Insolvenz?

Ja. Wenn alle Gläubiger dem Schuldenbereinigungsplan zustimmen und der Schuldner die vereinbarten Zahlungen (sei es die Einmalzahlung oder die Raten) fristgerecht leistet, tritt die im Plan vereinbarte Schuldenbefreiung ein.

Der außergerichtliche Vergleich ist ein regulärer Vertrag. Mit der Erfüllung des Vergleichs erlassen die Gläubiger dem Schuldner die Restschuld. Der Schuldner ist danach von allen Schulden befreit, die Teil dieses Vergleichs waren.

Der entscheidende Vorteil: Es findet kein gerichtliches Insolvenzverfahren statt. Es erfolgen keine öffentlichen Bekanntmachungen, und es gibt keinen Insolvenzvermerk in der SCHUFA. Die finanzielle Reputation erleidet (abgesehen von den bereits bestehenden negativen Einträgen durch die Schulden selbst) keinen weiteren Schaden durch ein Insolvenzverfahren.

Sollte der außergerichtliche Versuch scheitern, ist der Weg aber nicht zu Ende. Nach Vorlage der Bescheinigung über das Scheitern beim Insolvenzgericht wird oft ein zweiter, nun gerichtlicher Einigungsversuch unternommen. Hierbei kann die Zustimmung einzelner blockierender Gläubiger unter bestimmten Voraussetzungen gerichtlich ersetzt werden. Der außergerichtliche Vergleich ist somit immer der erste und wichtigste Schritt zur Überwindung der Schulden.

Quellenangaben

• Bundesministerium der Justiz. (o. D.). Insolvenzordnung (InsO) § 305: Eröffnungsantrag; Grundsatz der außergerichtlichen Einigung. Abgerufen am 29. Oktober 2025, von https://www.gesetze-im-internet.de/inso/__305.html

Bildquelle

• https://unsplash.com/de/fotos/eine-person-die-mit-einem-taschenrechner-und-einem-notebook-an-einem-schreibtisch-sitzt-LNnmSumlwO4